18 Juni 2009

nix da

Auf diesem Blog tut sich seit einigen Monaten überhaupt nichts mehr. Schuld daran ist die Finanzkrise. Das ist natürlich Quatsch. Schuld daran ist Facebook, wo neuerdings alle herumhängen, ich natürlich auch, man muß ja wissen, wo alle so herumhängen. "Renn, wenn du kannst", unser schöner langer Kinofilm, hängt im Schneideraum herum und wird immer schöner und immer kürzer. Während der Drehzeit habe ich es tatsächlich irgendwie fertiggebracht, zu den absurdesten Uhrzeiten noch Blog-Einträge von absurder Länge zu verfassen. Wie ich das hingekriegt habe, werde ich gelegentlich gefragt, aber weiß ich selber nicht mehr so genau. Wenn man dreht, ist man eh kein Mensch. Hinterher ist man dagegen dann sowas von Mensch, daß man monatelang gar nicht weiß, wo einem der Kopf steht vor lauter Menschsein. Man hatte sich die Schnittzeit als lange Meditationsphase vorgestellt, aber nix da, permanent kommt jemand herein und will was oder hat was oder ist gegen was oder für was, das ganze ist kein langer ruhiger Fluß, sondern eher eine Kette von Zwischendurchdeadlines und Menschen, die eine Meinung haben, aber angenehm ist daran, daß es einem jetzt alles im allerpositivsten Sinne egal sein kann, denn der Film ist gedreht, den kann niemand mehr kaputtmachen, und währenddessen erscheint der nächste Film schon am Horizont wie ein Silberstreif oder wie vielleicht auch wie die spanische Armada. Nebenher überschlägt sich das Privatleben, Dinge brechen herein und heraus, der Klavierstimmer war da, ein Zimmer wird frei, die Eltern ziehen um, mein Fahrrad ist jetzt schwarz und schnell, die Firma, die nur so heißt, aber keine ist, blüht und gedeiht, der Kühlschrank ist mal leer und dann wieder voll, mal ist Tag, dann wieder Nacht, der Iran geht geschlossen auf die Straße, alle sind dafür und dagegen, und es ist doch irgendwie langweilig, in einem freien Land zu leben, wo die Aufregung immer nur privat ist und der große Strom einen nie mitreißt, aber das darf man sich ja auch nicht wirklich wünschen. Die Menschen um mich sind in den letzten Monaten irgendwie größer geworden, so als wären sie früher nur zweidimensional gewesen, jetzt aber in 3D und Surround. Ja, das klingt seltsam, aber ich mag sie gern, so dreidimensional. Das ist jetzt so der klassische Moment, wo sich 47% aller Leser kopfschüttelnd fragen: Was hat der denn für Drogen genommen? Die Antwort, wie immer: Gar keine. Diese dumme, doofe, nicht auszurottende Idee, man müsse erst Drogen nehmen, um sich etwas abseitigere Dinge auszudenken, ist ein Frevel gegen den Geist, gegen die Phantasie, es ist ein Verbrechen gegen die grundlegende Freiheit des Menschen, sich soviel Quatsch auszudenken, wie er will, und zwar ohne Drogen, oder auch mit Drogen, aber ohne mich, wobei man mir einfach bisher noch nix interessantes angeboten hat. Früher hatte ich ja auch noch den Ehrgeiz, auf diesem Blog noch allgemeingültige Aussagen zu größeren Themen der Menschheit zu treffen, aber das tun schon viele andere Leute, deswegen bleibe ich zumindest heute ganz bei mir, da kann dann der Leser wenigstens anerkennend feststellen: Hier ist er ganz bei sich. Das ist natürlich eine etwas dämliche Phrase, aber ich will ja schließlich nicht nur unterhalten, sondern auch verstören, und außerdem Sehgewohnheiten aufbrechen und den Zuschauer wachrütteln. Ich hoffe, daß mich morgen früh auch jemand wachrüttelt, da muß ich nämlich zum Zahnarzt. Ich hoffe weiterhin, daß der dann nicht zu viele Sehgewohnheiten aufbricht, und wenn er mich nicht verstören, sondern eher unterhalten würde, wäre auch gut. Wie es dann weitergeht, wissen wir wie immer nicht. Aber es geht. Dieser Text wurde spät nachts ohne besonderes Konzept, eigentlich sogar völlig ohne Absicht geschrieben. Ob er bei Tageslicht bestehen kann, sehen wir morgen, wenn der Zahnarzt sein verstörendes Werk vollbracht hat.

 
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