01 März 2007

Oscars

Das Wort "verleihen" ist so schön mehrdeutig, daß man sich bei jeder Preisverleihung fragen könnte, wann der Preis denn dann eigentlich zurückgegeben wird. Am Sonntag wurden mal wieder die Oscars verliehen, und ich konnte dann doch meine Freude nicht ganz zurückhalten, daß die aufgeblasene Filmsimulation "Babel" so ausgesprochen leer ausging. Momentan streiten sich da der Regisseur und der Drehbuchautor in aller Öffentlichkeit, wer von beiden der tollere Typ ist, und daraus folgert jemand in der New York Times ziemlich süffisant und ziemlich treffend, daß Alejandro Gonzalez Inarritu und sein Ex-Autor Guillermo Arriaga ihre eigenen Filme nicht verstanden haben.

"Das Leben der Anderen" ist hingegen ein schöner Film, an dem man eigentlich nur drei Dinge aussetzen kann, nämlich ein stotterndes Ende und am Ende diesen Endes eine peinlich humorlose Künstler-Apotheose und im Zentrum dieser Apotheose, also leider in der Hauptrolle, einen reichlich aufgeblasenen Sebastian Koch. Aber allein, daß sich jemand in Deutschland mal sagt: Ich mache kein sprödes Kammerspiel über Sprachlosigkeit, sondern ein saftiges Drama vor historischem Hintergrund, ist ein interessanter, weil mutiger Ansatz - und wenn dieser Film dann am Ende auch noch keine Möchtegern-Hollywood-Farce wird (oder einfach lautlos in die Hose geht wie "Der Rote Kakadu"), sondern ein weitgehend guter Film, dann kann man sich ruhig auch mal freuen.

Wer sich nicht so sehr freut, sind interessanterweise Stasi-Opfer aus dem echten Leben, da sagen nämlich viele:
Daß ein Stasi-Offizier sich mit einem Opfer solidarisiert, das ist eine Idee aus Disneyland, das wäre ganz und gar undenkbar gewesen, und viele meiner Bekannten aus der Ostberliner Film- und Theaterlandschaft sind regelrecht sauer. Es ist ein interessantes Erlebnis, zum Beispiel Andreas Dresen zuzuhören, wie er zehn Minuten am Stück über "Das Leben der Anderen" schimpft, weil Stasi-Offiziere keineswegs so blutleere Gefühlszombies in leerren Plattenbauwohnungen waren wie Ulrich Mühe in diesem Film, sondern vielmehr spießige Familienväter, die im Urlaub im Fichtelgebirge wandern gingen, und die ihre Opfer nicht nur bei Nacht und Nebel abholten, sondern gern auch bei Sonnenschein inmitten von wegguckenden Nachbarn.

So etwas ähnliches sagt Florian Henckel-Donnersmarck interessanterweise selbst: "Dieser Mann wohnt noch immer in der Wohnung, in der er vor der Wende gelebt hat, ganz in der Nähe von Hohenschönhausen. Seine Frau, die auch beim Ministerium für Staatssicherheit war, hat mir höflich Tee zubereitet und an der Wand hängen die Bilder von den Enkelkindern. Das ist alles so normal. Und doch sitzt dir da ein Mann gegenüber, der vor 20 Jahren Dinge getan hat, die dich gruseln."

Im Film, den Henckel-Donnersmarck dann gemacht hat, ist der Stasi-Hauptmann hingegen überhaupt nicht normal - trotzdem war das anscheinend kein Anlaß, die Figur des Stasi-Hauptmanns anders anzulegen, denn dafür hätte er sich von seinem filmischen Konzept, dem Königsdrama mit klar gezeichneten Figuren, abweichen müssen und die ganzen Widersprüche und Brüche des chaotischen, unklaren, wahren Lebens in die Geschichte einlassen. Und das hätte halt einen anderen Film ergeben.
Das Problem beim "Leben der Anderen" ist also nicht die Frage, ob und wie gut recherchiert wurde, sondern eher der Widerspruch zwischen der großen Kino-Machart und dem dokumentarischen Gestus, mit dem der Film (und sein Macher) behauptet: So war es. Da gibt es aber auch für die beleidigten Zeitzeugen kein anderes Gegenmittel als Selbermachen, deswegen bin ich ziemlich gespannt, was zum Beispiel Andreas Dresen, der es ja wissen müßte, demnächst zum Thema Stasi beitragen wird.

Wer ansonsten mal einen schier unglaublichen Qualitätssprung im Werk eines Filmemachers erleben will, der sollte sich "Das Leben der Anderen" ansehen und als Vorfilm den
Kurzfilm "Der Templer", ebenfalls von Florian Henckel-Donnersmarck.

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