09 Juli 2007

Meine Armut kotzt mich an

Der Bundesverband Regie, in dem ich nicht Mitglied bin, schickt mir gelegentlich Mails, in denen bejammert wird, wie wenig man als Filmregisseur in Deutschland verdient, wie miserabel die Arbeitsbedingungen sind und daß alles überhaupt ganz schrecklich ist. Vor ein paar Tagen kam wieder eine, da ging es um den Regisseur Marco Kreuzpaintner, über dessen Werk ich nichts sagen kann, weil ich von ihm nur einen Kurzfilm gesehen habe, über den ich nichts sagen will, der verläßt jedenfalls auch Deutschland und geht nach Los Angeles, weil da die Bezahlung besser ist, und das, sagt der Regieverband, ist schlimm, denn damit verläßt uns mal wieder ein Talent.

Interessanter als all das erscheint mir, was Marco Kreuzpaintner zu Preisverleihungen sagt. Er ist nämlich dagegen, wie man
da lesen kann:

«Es ist absurd, dass Filmemacher untereinander im Wettbewerb stehen.» Beim Bernhard-Wicki-Filmpreis, den Kreuzpaintner am Donnerstagabend verliehen bekam, liegt die Sache für ihn etwas anders. Schließlich sei es ein «Friedenspreis», sagte er. Außerdem ist die Auszeichnung mit 10 000 Euro dotiert, und «meine Armut zwingt mich leider, den Preis anzunehmen», gestand Kreuzpaintner.

Und dieser letzte Satz hat mich dann doch ziemlich tief getroffen. Verdammt hartes Los, daß Marco Kreuzpaintner, einer der Besten, die wir haben, daß sogar der vor bitterer Armut gezwungen ist, gegen seinen Willen Preisgelder anzunehmen. Da läuft echt was schief in Deutschland. Mir geht es aber leider ähnlich - auch ich bin so arm, daß ich immer noch Preisgelder annehmen muß, obwohl mir das schrecklich gegen den Strich geht. Aber glücklicherweise sind die Preise, die ich so bekomme, meistens Friedenspreise. Um die steht man ja bekanntlich nicht im Wettbewerb, und verdient habe ich sie als friedlicher Mensch sowieso.

Was mich dann aber doch beschäftigte: Hat Roland Emmerich Marco Kreuzpaintner für die Regiearbeit bei "Trade" nicht anständig bezahlt? Oder hat er das ganze Geld schon für mildtätige Zwecke ausgegeben? Haben Claussen und Wöbke, die man doch als höchst anständige Menschen kennt, Marco Kreuzpaintner für die Regie bei "Krabat" auch nicht anständig bezahlt? Oder hat Kreuzpaintner die kapitalen Drehzeitüberschreitungen, von denen man so erzählt, selber finanziert? Oder hat er am Ende einen stark verschobenen Begriff davon, was Armut ist? Oder wie?

Meine Schwester erzählte kürzlich, ihr sei ein halbwegs bekannter Drehbuchautor begegnet und habe gejammert, wie abgebrannt er sei und wie schlimm es wäre, noch nicht mal mehr Trinkgeld geben zu können. Die schlagfertige Antwort wäre natürlich gewesen: Nein, es ist erst dann schlimm, wenn man kein Trinkgeld mehr bekommt. Aber die schlagfertige Antwort fällt einem ja immer erst hinterher ein, wenn sie nicht mehr schlagfertig ist. Ich frage mich ja sowieso immer, wovon die ganzen Nachwuchsfilmleute und ich selber auch denn eigentlich leben wollen, von ihren Eltern oder wie, letzteres in meinem Fall eher nicht, und bis ich die Antwort gefunden habe, gebe ich nicht mehr Geld aus, als reinkommt, wenn nichts mehr reinkommt, gehe ich arbeiten, und wenn es ganz schlimm kommt, dann muß ich halt widerwillig den einen oder anderen Preis annehmen.



8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hehe.

Ich geb dir nen Euro. Ist das Preisgeld für den "Dreh niemals Filme wie dieser komische neue mit Nicolas Cage"-Preis.

Anonym hat gesagt…

endlich!!! endlich!!! endlich!!!

ich danke dir, dietrich brüggemann, für diesen post.

marco kreuzpaitner hat massiv gelogen, als er von armut bei sich sprach. arbeitete er doch bei trade doch recht gut (auch wenn der film in meiner mülltonne gelandet ist, so banal, also so voller banaler banalität ist der). und die aus unsicherheit entstandenen drehüberziehungen hat er auch nicht selbst bezahlt, wie sollte er - drei millionen sind doch ein bisschen zuviel taschengeld für einen 29jährigen regisseur.

wo bleiben die unbegabten????

Anonym hat gesagt…

Hi Dietrich, hier mein manueller Trackback: http://www.filmjournalisten.de/?p=155

Anonym hat gesagt…

Ich weiß, dass klingt jetzt etwas altbackend, aber wo ist der RSS Feed Link auf deiner Seite????????????????????????

Anonym hat gesagt…

Hoppla, ich hab ihn gefunden...

d-trick.b hat gesagt…

Das ist ja alles interessant. Ich weiß nicht genau, um welchen Stefan und welchen Martin es sich da handelt, auf den einen Euro muß ich leider verzichten, weil ich nur Friedenspreise annehme, aber trotzdem danke.

Interessant finde ich auch, daß da jemand mit großer Emphase Dinge weiß, die nicht so allgemein bekannt sind. Ich wußte jedenfalls nicht, daß die bei "Krabat" tatsächlich DREI MILLIONEN drüber waren. Das wirft in der Tat kein gutes Licht auf die Regie.

Ansonsten fand ich das ganze vor allem unter dem Aspekt interessant, wie sich da jemand um Kopf und Kragen redet, verbunden mit hinreißender Heuchelei. Meine und unser aller "Armut" ist wie gesagt relativ, und wir Untalentierten bleiben arm, aber sexy in Berlin, es sei denn, man bietet uns die Verfilmung des einen oder anderen Kinderbuchklassikers an. Da würde ich auch nicht nein sagen. Nein sage ich schließlich nur zu Preisen, es sei denn, sie sind mit Geld verbunden.

Anonym hat gesagt…

du heuchler!!
du heuchler !!!

ich lieb(t)e marco. aber nein. nicht mehr.

HEUCHLER dtrickb und all ihr anderen.

@ ditrickb: und bitte veröffentlich das. ich war auch der erste.

@ alle: ihr habt doch keine ahnung!!!

d-trick.b hat gesagt…

Es wird ja immer seltsamer. Ich enthalte mich weiterer Kommentare. Aber immerhin weiß ich jetzt, wer er Stefan ist, der hier gelegentlich auftaucht, weil ich ihn gestern abend getroffen habe, und zwar in der Realität.

 
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