Wenn das Dasein als Mitfahrer, das stundenlange Eingepferchtsein in seltsam riechenden Kleinwagen mit wildfremden Menschen, die einen unter problematischer Musikbeschallung irgendwie von A nach B kutschieren, irgendwann nur noch nervt, dann wechselt man die Seite, leiht sich ein Auto und stellt eine Mitfahrgelegenheit ins Internet. Wir wollten für ein Wochenende ins Rhein-Neckar-Dreieck, Buchbinder vermietet bemerkenswert billig Autos, so ergab sich mein erster Auftritt als Mitfahrgelegenheitsanbieter. Weil wir nicht so genau wußten, wie groß unser Auto sein würde, boten wir vorsichtshalber nur einen Platz an, stellten das Angebot ins Netz und warteten ab.
Am Tag danach ruft eine Dame an und will mitfahren. Sie klingt etwas schläfrig, irgendwo zwischen Hanf und Valium. Einen Tag später ruft sie wieder an und sagt ab. Am Tag vor der angepeilten Fahrt, genaugenommen erst am Tag der Fahrt, nämlich nachts um viertel nach eins, ruft ein junger Mann an und freut sich in Mannheimer Mundart, daß er um diese Zeit noch jemanden erreicht und einen Platz bekommt. Am nächsten Morgen melden sich noch einige Schnellentschlossene und kommen nicht mehr zum Zuge, nachmittags stehe ich dann zur vereinbarten Zeit am ausgemachten Ort und warte vergeblich. Daß mein Mannheimer Mitfahrer an sein Festnetztelefon geht, ist zwar nett, aber eigentlich auch enttäuschend, er soll nämlich gefälligst nicht zuhause sein, sondern fast schon da. Aber nein, er teilt mir mit, er habe sich was späteres besorgt und vergessen, uns abzusagen. Ich beschimpfe ihn in angemessener Weise und lege auf. Dann rufe ich auf gut Glück eine Person zurück, die ich mittags abweisen mußte. Sie spricht kaum Deutsch und schlecht Englisch und steht dem Geräusch nach zu urteilen in einer Maschinenhalle, aber sie findet die Idee, jetzt sofort mit uns nach Mannheim zu fahren, durchaus attraktiv. Sie ist im Wedding, bei Karstadt, das ist gut, denn da kommen wir sowieso vorbei. Als wir dort sind, telefonieren wir noch ungefähr zehn Mal miteinander, bis wir uns finden. Es sind zwei Afrikanerinnen, mit der einen habe ich telefoniert, die andere will mit, man macht sich bekannt, ist nett zueinander und redet insgesamt nicht viel.
Als wir spät abends in Mannheim ankomme, wartet ihr Freund am Bahnhof auf sie und freut sich, wie ich schon lange keinen Menschen mehr sich freuen sah. Er schenkt mir vor Freude eine Dose Bier, was wiederum mich sehr freut, denn das ist genau der Gegenstand, den ich mir sonst noch selber gekauft hätte. Dann verkündet er: We´re gonna make Babies now. You think it´s a good idea if we make babies? Na klar, sagen wir und halten die Idee tatsächlich für ziemlich gut. Für die Rückreise am Montag hätte sie auch Interesse - da habe ich leider schon jemandem zugesagt, aber nach den bisherigen Erfahrungen rechne ich nur so halb mit dem und verspreche, mich gegebenenfalls zu melden. Die Rückreise verläuft dann aber überraschend störungsfrei, wir haben einen eher schweigsamen Pferdeschwanzträger dabei, der so integer wirkt, daß er bereits nach dreiminütiger Bekanntschaft allein auf unser bunt bedrucktes Auto aufpassen darf.
Fazit: Mitfahrer sind unzuverlässig, sofern sie nicht zuverlässig sind, beides ist am Telefon schwierig auseinanderzuhalten. Der Fiat Panda ist inzwischen ein richtiges Auto, nur der Tank leert sich sehr schnell, der ist aber auch sehr klein. Trotz steigender Benzinpreise war es insgesamt billiger, als Bahnfahren sogar dann gewesen wäre, wenn wir beide eine Bahncard gehabt hätten, was nicht der Fall ist. Vielleicht mache ich so was mal wieder.
27 Juni 2007
MFG
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3 Kommentare:
Sehr grossartig geschrieben!
Erinnert sehr an den Kurzfilm "Wie ich ein freier Reisebegleiter wurde", der hier in HH auf dem Kurzfilmfestival lief. Habe selbst nur als Mitfahrer Erfahrungen gesammelt.
ja den film haben wir auch gesehen, bei diesem arbeits-kurzfilm-dings.
der war super.
super ist auch die beschreibung hier.
es war aber auch eine interessante, lustige erfahrung!
Oh ja. Jan Peters macht seit Jahren diese Expeditionen in Kurzfilmform, bei denen er beständig redet, und die sind alle höchst unterhaltsam.
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