22 Februar 2007

Dauerlauf in Heidelberg

Ich bin nach Heidelberg gefahren, um meine Fernbeziehung zu beenden. Allerdings nicht durch Beenden der Beziehung, sondern durch Beenden der Entfernung. Was bedeutet, daß wir morgen zusammen nach Berlin fahren und dann da bleiben. Für ein halbes Jahr, sagt meine Freundin. Für deutlich länger, hoffe ich.

Heute war ich daher ein letztes Mal als Jogger im Heidelberger Wald unterwegs. Bei dieser Gelegenheit würde ich gern darauf hinweisen, daß "Joggen" im Deutschen früher "Dauerlauf" hieß. Das ist ein schönes Wort, dessen Wiederbelebung ich befürworte. Übrigens ist das Wort "befürworten", wenn man mal genau hinsieht, auch eine hinreißende Konstruktion, der hinwiederum das Gegenteil fehlt. Vielleicht hat das jemand mal begegenwortet.

Beim Dauerlauf hört man natürlich Musik. Es gibt Lieder, deren Rhythmus wie geschaffen zum Laufen ist. Tanzmusik kennt jeder, Laufmusik ist ein unterschätztes Genre. Ein großartiges Stück Laufmusik heißt "Wicked Soul" und kommt von der Band KUBB. Wenn man es hört, dann kann man gar nicht anders, als beschwingt den Berg hinabzuhüpfen. Besonders, wenn man gerade den riesigen Gefallenenfriedhof besucht hat, der da so einsam im Wald liegt und so übermenschlich groß und leergeräumt aussieht, als käme er aus einem Stanley-Kubrick-Film.

Meine Dauer-Dauerlaufmusik, die immer als erstes läuft, ist aber das schöne Album "Zweilicht" der Band Kante. Damit läßt es sich trefflich durch Heidelberger Vororte voller Professorenvillen dauerlaufen. Ich stelle mir dabei immer vor, ich sei ein Heidelberger Professorensprößling und in dieser stillen, befriedeten Welt großgeworden und würde jetzt typischerweise diese Musik hören, was ich ja in der Tat auch tue,
auch wenn der Rest gar nicht stimmt. Aber Kante ist bei aller Schönheit typische Professorenkindermusik, was abwertend klingen mag, aber nur einordnend gemeint ist.

All das, was ich jetzt da so hingeschrieben habe, macht vielleicht keinen übergeordneten Sinn, aber an stillen, sonnigen Vorfrühlingstagen in Heidelberger Wäldern zwischen Professorenvillen und Kriegerdenkmälern muß das auch nicht sein. Ein Dauerlauf im Wald ergibt ja auch keinen höheren Sinn. Nur eine gewisse innere Ruhe.

19 Februar 2007

Berlinale, Tag 11

Die Berlinale ist vorbei. Gab es was besonderes zu vermelden? Nö. Am Ende ist ja der Publikumstag, dafür kann man sich als Akkreditierter aber auch vorher Karten holen, was aber die wenigsten zu wissen scheinen, denn an den Schaltern herrschte gähnende Leere, nur Veit Helmer stand vor mir. Man konnte dann mit den freundlichen Schaltermenschen, die auch nicht mehr so ganz geistig anwesend zu sein schienen, ein Schwätzchen halten, in das sich dann auch der Kollege von nebenan einschaltete und einen am Ende fragt, ob man denn nicht noch eine Karte für die Oma, die Freundin oder sonstwen mitnehmen wollte.

Ich habe mir am Sonntag noch einen Film angesehen. Welcher es war, habe ich vergessen, denn das ist der einzig sichere Weg, nicht als Raubkopierer im Gefängnis zu landen. Wenn man nämlich einen Film gesehen hat, dann hat man ihn ja im Kopf und könnte anderen Leuten das Ende verraten, damit die dann nicht mehr ins Kino gehen müssen. Daher löscht man ihn am besten, denn Raubweitererzähler sind Verbrecher. Durch das Raubweitererzählen, ein Subgenre des Raubkopierens, entsteht der Filmwirtschaft jährlich ein Schaden, den Experten auf mehrere Milliarden Euro beziffern, deswegen muß das Raubweitererzählen mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt werden, denn den Schaden zahlen am Ende Sie, lieber Zuschauer, durch höhere Eintrittspreise an der Kinokasse und weil Sie dann auf lange Sicht nur noch Filme zu sehen bekommen, die einen eingebauten Weitererzählschutz haben. Der besteht aus sofortigem Vergessen wegen totaler Ereignislosigkeit und ist kaum zu knacken.

Es war mal wieder wunderschön, es ist trotzdem vorbei. Zum Abschluß ist es mir ein persönliches Anliegen, hier noch einmal dasjenige Bild zu zeigen, das mich auf dieser Berlinale am nachhaltigsten beeindruckt hat. Es ist ein Bild, das einen verfolgt, verstört und aufrüttelt. Es stammt aus einem Film, der sehr kurz ist, aber inhaltlich eine stärkere Botschaft transportiert als der gesamte Wettbewerb der Jahre 2003 bis heute.
Hier ist es.

Berlinale, Tag 10

Filme machen kommt vor Filme gucken, schon klar, aber was kommt als allererstes? Jawoll, die gute alte Freundschaft. Mein guter alter Freund Max hat einen Film produziert, der in der "Perspektive" lief, und deswegen war ich nach dreitägiger Totalabstinenz dann doch mal wieder im Kino.

"Osdorf" ist ein Dokumentarfilm, den meine gute alte Studienkollegin Maja Classen über ein Ghetto in Hamburg gemacht hat. Eine Horde von Jungs mit den unterschiedlichsten Migrationshintergründen, alle schon polizeibekannt, trifft im Rahmen eines Projekts namens "Gefangene helfen Jugendlichen" auf Männer, die beispielsweise 25 Jahre wegen Mordes absitzen. Das ist, wie alle guten Dokumentarfilme, vor allem eins, nämlich: Hochinteressant.
Knast, Irrenhaus, Altersheim, Ghetto, sonstwas - man denkt sich solche Sachen immer so irgendwie, dann sieht man sie, und es springt einem ins Gesicht, wie anders, wie real es ist. Und genau diesen Realitätsschock, den ich als Zuschauer erlebe, den erleben unsere jungen Freunde auch, wie sie da so mit Männern sitzen, die tatsächlich einmal das Messer gezückt und jemanden erstochen haben und das so ganz lakonisch vor ihnen ausbreiten.

Und wenn man mal den Blick schweifen läßt, dann kann man zwischendurch sehen, wie da in diesem Knastkonferenzraum ein Schmetterling an der Fensterscheibe herumflattert. Dann kommt auf einmal eine Hand ins Bild, öffnet das Fenster, und der Schmetterling flattert zwischen den Gitterstäben hindurch in die Freiheit. Das ist so real und in seiner Hintergrund-Beiläufigkeit zugleich so irrwitzig poetisch, wie man es im Spielfilm sowieso nie machen könnte.

Für den täglichen Raubkopie-Spot kam ich diesmal leider zu spät, weil nämlich meine Fahrradkette gerissen war und ich mein Rad im Tretroller-Stil zum Potsdamer Platz bewegen mußte. Als Ersatz habe ich ihn aber einfach von Hand - wie soll man das jetzt nennen, ich würde mal sagen: raubgezeichnet.



17 Februar 2007

Berlinale, Tag 9

"Der neunte Tag" ist ein Film von Volker Schlöndorf, über den ich weiter nichts zu berichten weiß, weil ich ihn nie gesehen habe. Er soll angeblich ganz in Ordnung, aber nicht direkt umwerfend sein. Mit dem neunten Tag der Berlinale verhält es sich da ganz ähnlich - auch das ist eine Sache, über die ich wegen Abwesenheit nichts sagen kann, aber wie man hört, ist anscheinend nichts unerwartet tolles passiert.

Ansonsten hätte ich hier jetzt nur so ein paar Anekdoten aus den letzten Tagen zu bieten.
Steht zum Beispiel eine Frau telefonierend bei den Ticketschaltern und sagt:
-Du rufst mich immer auf meinem teuren Handy an, das weißt du, ne?
Ich weiß selber nicht, wieso ich das lustig finde. Vielleicht als Sinnbild für die fehlgeleitete Zuvielkommunikiation der Festivalbesucher.

Oder in der Eröffnungsveranstaltung, bei der Liveübertragung des Roter-Teppich-Theaters ins Cinemaxx 3, da war die Kamera auf die Menschenmenge im Musicaltheater gerichtet, und auf einmal kam ein selbstvergessener Singsang aus dem Off - eine Männerstimme, ziemlich leise und ziemlich nah am Mikro:

-Ihr habt die Möpse schön, ihr habt die Möpse schön...
Innerer Monolog eines Kameramannes?
Vergessenes Ansteckmikrofon?
Kommentar des großen Regisseurs da oben?

Oder irgendwann im International, da ging im Saal das Licht aus - hinter der Leinwand war es aber an, weswegen man das ganze Backstage-Gestänge als Schatten sehen konnte. Und da sagte eine Stimme aus den Lautsprechern:
-Ja, das passiert, wenn man hinter der Leinwand Dinge tut, die man da nicht tun sollte.

Von diesem Vorfall habe ich sogar ein Foto, das zugleich eine elegante Überleitung zu meinem Lieblingsthema darstellt.

16 Februar 2007

Berlinale, Tag 8

Am achten Tage schuf der Herr das Kino und sprach: Siehe, dies sei der Ort, wo ihr hingehen könnt, wenn euch alles, was ich an den Tagen eins bis sieben geschaffen habe, mal wieder auf den Keks geht.

Ja, liebe Leser, der Eskapismus ist schon in der Schöpfungsgeschichte angelegt. Nur für den, der selber Filme machen will, in denen andere dann ihre Zuflucht finden können, fü
r den gibt es keine Zuflucht, für den gibt es nur den Schreibtisch. Da sitzt er dann. Und weil er ja heute auf der Berlinale keine Filme sieht, stellt er sich einfach welche vor und beschreibt dann eben nicht, was er gesehen hat, sondern was er möglicherweise gesehen hätte, wenn er denn dagewesen wäre.

Zum Beispiel "300", der außer Konkurrenz im Wettbewerb läuft. Da stelle ich mir ein wüstes Gemetzel vor. Oder "Ferien" im Panorama, da stelle ich mir ein sensibles Kammerspiel mit Zwischentönen vor. Vielleicht auch ein Zwischenspiel mit Kammertönen. Oder "Irina Palm", Marianne Faithful holt mehreren Männern einen oder mehrere runter, das stelle ich mir lieber mal gar nicht vor.

Am liebsten aber stelle ich mir den Raubkopierer-Spot vor. Da gibt´s heute kein Foto, da muß eine Beschreibung ausreichen.
Also:
Schwarzer Hintergrund. Aus sanft-energischen, bunten Lichtschlieren entstehen zwei weiße Kreise mit schrägem Verbotsstrich. Darin rechts eine Videokamera und links ein Mobiltelefon. Darunter in weißen Lettern: Film piracy is illegal, violates existing copyright laws and will not be tolerated.

Habe ich mit diesem Text, der ja eine ziemlich exakte Beschreibung darstellt, nicht auch schon so etwas wie eine Raubkopie angefertigt? Darf man das, einfach so ins Kino gehen und sich Bilder merken und sie hinterher beschreiben?
Ich meine: Nein. Das Schreiben über Filme sollte wegen Urheberrechtsverletzung unter Strafe gestellt werden.

15 Februar 2007

Berlinale, Tag 7

Ein Mann sitzt im Kinosaal. Eine junge Frau fährt in der Eisenbahn. Sie zieht sich an. Der Zug fährt an Flüssen und Industrianlagen vorbei. Die Frau geht eine Straße entlang. Ein Mann verfolgt sie und redet auf sie ein und bricht zwischendurch in Tränen aus. Die Frau war anscheinend mal mit ihm zusammen. Aber jetzt weist sie ihn ab. Die Frau kommt zu einer Gaststätte. Es ist Sommer. Sie trifft ihren Vater. Er gibt ihr Geld. Sie erzählt von ihrem neuen Job. Der Mann, den sie auf der Straße abgewiesen hat, bringt sie im Auto zur Bahn. Er macht ihr Vorwürfe. Er fährt den Wagen durch ein Brückengeländer. Der Wagen stürzt ins Wasser. Der Mann sitzt immer noch im Kinosaal. Der Film läuft. Menschen reden auf der Leinwand miteinander. Der Film ist vorbei. Die Menschen gehen aus dem Saal. Der Mann setzt sich auf sein Fahrrad und fährt in sein Büro. Er klappt seinen Laptop auf und schaltet ihn an. Er öffnet ein Dokument. Er wird sich keine Filme mehr ansehen. Er hat einen Termin. Er muß mehr Emotionen in seinem Drehbuch unterbringen. Er wird jetzt nur noch arbeiten. Er ist in Eile. Deswegen ist auch dieses Bild so verwischt.

14 Februar 2007

Berlinale, Tag 6

Arbeitszeit ist Leistungszeit. Produzieren geht vor Konsumieren. Deswegen habe ich den gestrigen Tag am Schreibtisch verbracht und mir zwischendurch nur einen einzigen Film angeschaut: "Little Big Man", Arthur Penn, 1970. Der ist ziemlich lang und fällt streckenweise ganz schön auseinander, aber in der grundlegenden Geistehaltung ist er grandios, denn er zeigt eigentlich alle handelnden Figuren als bedauernswert-lächerliche Menschen und erspart uns trotzdem nicht die völlige Gnadenlosigkeit, mit der die Geschichte ihren Lauf nimmt und Indianer von der US-Kavallerie niedergemetzelt werden. Wie hier, mit der zielgenauen Unbekümmertheit der 60er Jahre, dem Pathos die Luft rausgelassen wird, das steht im direkten Gegensatz zu der Art und Weise, wie Geschichte heutzutage im Film oft behandelt wird, wo Figuren modellhaft über sich selber stehen und die Macher selbst in jeder Szene vor der historischen Bedeutsamkeit ihres Tuns erzittern.

Weil vor den alten Filmen keine Trailer laufen, gab es auch keinen Raubkopietrailer zu sehen, aber ich hätte da noch einen auf Lager, ein sehr schönes Exemplar mit halbgeöffnetem Vorhang.

13 Februar 2007

Berlinale, Tag 5

Ein lustiges Erlebnis im Kinosaal: Gestern abend, Premiere des serbischen Films "Klopka" (The Trap), der im Forum läuft, aber auch im Wettbewerb eine ziemlich gute Figur gemacht hätte. Hinter uns sitzen ungefähr zehn junge Frauen, die ohne Pause miteinander reden. Irgendwann komme ich mir vor wie ein restlos verbitterter alter Opa, der vom allgemeinen Sittenverfall der Jugend völlig hilflos überrollt wird und die ganze Zeit "pssst" macht, ohne daß irgendjemand auf ihn hört. Es wird nämlich einfach weitergequatscht. Nach dem Film entschuldigen die Damen sich und wollen ganz ernsthaft wissen, warum wir uns denn gestört fühlten - der Film sei doch für uns in einer Fremdsprache und wir würden daher den Dialog sowieso nicht verstehen. Sie hingegen sind des Serbokroatischen mächtig und klären uns auf, daß sie nicht etwa geredet haben, sondern vielmehr über lustige Dinge gelacht, die uns aufgrund mangelnder Sprachkenntnis nicht zugänglich waren. Ein Mißverständnis also, kann ja mal passieren.

Dieses seltsame Zusammentrefffen wird für mich aber mehr als wettgemacht durch das Wiedersehen mit den Drehbuchautoren des Films, Srdjan und Melina Koljevic, und dem Regisseur Srdan Golubevic, die zweifellos zu den sympathischsten Menschen auf diesem Planeten gehören. "Klopka" gehört außerdem zweifellos zu den besten, ehrlichsten, unaufgeregtesten Filmen des Festivals und ist noch zweimal zu sehen, nämlich Mittwoch, 14.2., um 22:15h im Cubix 9 und Samstag, 17.2., um 20h im Colosseum 1.

Davor waren wir im International, dem unangefochten schönsten Kino Berlins. Um diese Behauptung zu untermauern, hier eine Foto der Deckengestaltung.

Aber Fotos machen im Kino ist ja verboten, deswegen hier zur Erinnerung nochmal der Verbotstrailer, heute mit Heiligenschein.

12 Februar 2007

Berlinale, Tag 4

Es wird wieder Tischtennis gespielt im deutschen Film, nee, im Weltkino. In fast jedem Film, den ich bisher sehen durfte, ob deutsches Coming-Of-Age-Debüt, koreanischer Anstaltsfilm oder Konzentrationslagerdrama, kam irgendwann eine Tischtennisplatte ins Bild.
Übrigens, das Konzentrationslagerdrama: Kann man eigentlich nix gegen sagen, aber mittlerweile kommt man sich da halt vor wie in einem Genrefilm bzw einem Filmgenre. Da gibt es die Viehzüchter, die Indianer, die Cowboys und den Sherriff. Oder in diesem Fall: Die SS-Leute, unterteilt in dick-doof-brutal und schlank-und-schlau, die Gefangenen, eingeteilt in Juden, politische Häftlinge und arglose Zufallsopfer. Umwerfend ist an dem Film vor allem eins, nämlich Devid Striesow. Der ist hier für sein Rollenmodell gar nicht mal sooo schlank, aber spielt so gut wie hierzulande sonst niemand.
Und nun noch eine poetische Festival-Impression: Ins Kino gehetzt, Platz erobert, die Glatze des Vordermanns ragt pittoresk ins Sichtfeld, die letzten nehmen die Plätze ein, es kann los gehen. Wer kennt das nicht.
Und schließlich, Leute, denkt dran: Raubkopierer sind Verbrecher.


Berlinale, Tag 3

Der für mich einzige Film des Samstages kam aus Korea und hieß:
Sai Bo Gu Ki Man Gwen Cha A.
Er spielt in einem koreanischen Irrenhaus, was für uns westliche Zuschauer eine seltsame Doppelung ist, da die rahmengebende Gesellschaft ohnehin nach für us undurchsichtigen Regeln funktioniert und somit einen gelegentlich leicht wahnsinnigen Eindruck macht. Das verwischt ein wenig den Unterschied zwischen dem Wahnsinn des Films und dem Wahnsinn im Film.
Die Dramaturgie ist wie in vielen asiatischen Filmen eher lose-verschlungen-episodisch-seltsam, man kann also auch mal zehn Minuten austreten, ohne hinterher rettungslos abgehängt zu sein. Die Kamera eiert akrobatisch durch die Gegend, die Farben sind knallig, das ganze ist eher Trip als Film. Ist ja auch kein Film, sondern eine dieser knackigen neuen HD-Projektionen mit den unwahrscheinlich knalligen Farben.

Danach wurde der Talent Campus eröffnet, auch das ein Trip, man kommt sich vor wie bei einer globalisierten Erstsemesterparty. Natürlich kommt früher oder später der Funk Soul Brother, und die Tanzfläche regrediert zur globalisierten Abifete.

Ansonsten melden meine verbündeten Kinoagenten von ihren Erkundungsgängen: "The Good German" schlecht, "The Tracy Fragments" anstrengend.

10 Februar 2007

Berlinale, Tag 2

Man ist vom Eröffnungsabend immer noch übernächtigt.



Fotohandys sind immer noch verboten.



Nach dem Film müssen immer noch alle auf die Bühne.

Und hinterher spielt der DJ immer noch das beste der Sechziger und Siebziger sowie die größten Hits von vorgestern, aber davon habe ich leider kein Bild.

Hingegen die Frage, ob das deutsche Kino eine Perspektive hat, darf jetzt als beantwortet gelten. Zumindest aus der ersten Reihe hat es eine, und zwar diese:


09 Februar 2007

Berlinale, Tag 1

Die Berlinale hat angefangen. Die zwei Hauptdisziplinen der ersten Festivaltage sind:

-Die Festivaltasche häßlich finden
und
-Den Eröffnungsfilm schlecht finden.

Ersteres überlasse ich dem Leser selbst. Siehe unten. Der Gurt mit den vielen bunten Logos sieht aus wie eine Kinderzimmereinrichtung, aber das paßt ja irgendwo auch wieder.

Letzteres kann man leider wirklich kaum freundlicher ausdrücken. Das Leben der Edith Piaf hätte sicherlich genug Stoff für einen tollen Film, wenn man denn einen draus machen würde und nicht so ein zerfahrenes, planloses, konzeptloses Durcheinander. Die Hauptdarstellerin ist wirklich toll, aber auch dadurch wurde noch kein Film vor dem dramaturgischen Totalausfall gerettet. Trotzdem war das Publikum euphorisiert. Vielleicht war es mehr die Lust am Hurra-Event, die ohnehin dazu geführt hat, daß die "standing ovations" allenthalben so überhand genommen haben. Moment mal, klinge ich jetzt eigentlich schon wie ein verbitterter alter Sack, der sich rundherum unverstanden fühlt und nichts anderes mehr zu tun hat, als der ganzen Welt mit seinen Ressentiments auf die Nerven zu gehen?

Na dann, fröhlich weiter geradeaus. Ich frage mich nämlich schon seit längerer Zeit: Wer engagiert bei Filmpartys eigentlich die DJs? Und die Bands? Wieso ist die Musik immer so schrecklich, daß man weglaufen möchte? Wieso laufen immer die Sachen, zu denen der Festivalleiter schon tief im letzten Jahrhundert mit 16 in der Disco das Tanzbein geschwungen haben dürfte? Oder halt der ebenso übliche wie eklige Ibiza-Konsens-Electro?

Egal, ich freue mich auf allerhand schöne Dinge. Zum Beispiel den großartigen Dokumentarfilm "Prinzessinnenbad", der am Sonntag abend in der Perspektive läuft. Oder den serbischen Film "Klopka", eine einfühlsame, kluge und spannende Geschichte, der am Montag abend im Forum läuft. Oder
Remake Movieoke, Karaoke nach bekannten Filmszenen, eine wirklich umwerfende Veranstaltung, am Mittwoch abend in der Homebase.

Hier noch die Tasche. Die Farben sind etwas blaß rübergekommen, man sollte daher dazusagen: Es handelt sich um sattes Violett und Knallrot.



02 Februar 2007

Ganz große Schauspielkunst

Seit gestern läuft im Kino ein Film, zu dessen Beschreibung man offenbar tief in die Phrasenkiste greifen muß. Eine Wucht, verstörend, bringt die Leinwand zum Beben, so schreiben die Kritiker. Es geht um eine junge Mörderin, die zugleich begabte Pianistin ist bzw. umgekehrt, und um ihre vertrocknete alte Klavierlehrerin, die ein Portrait meine Großmutter väterlicherseits selig sein könnte. Die Mörderin, die eigentlich gar keine ist, aber früher mal von ihrem Vater vergewaltigt wurde, läßt den ganze Film über ziemlich ungehemmt die Sau raus, weswegen die Schauspielerin, die sie spielt , als sensationelle Entdeckung gehandelt wird. Zum Beispiel steht in der SZ vom 1.2.07:

Aber wie soll man es sonst nennen, wenn sich eine 25-Jährige mit so viel Wucht und Virtuosität in ihre erste große Rolle stürzt: schreit und schlägt und (ungedoubelt!) gegen eine Fensterscheibe rennt und so dem Schmerz und dem Hass und der hilflosen Gewaltbereitschaft der als Mörderin verurteilten Jenny körperlich Ausdruck verleiht?

Alles klar, Leute: Schreien, schlagen und (ungedoubelt!) gegen Fensterscheiben rennen, das ist der Kern der Kunst. Ich nehme das zur Kenntnis und behaupte hiermit: Das gilt nicht nur für die Schauspielkunst, sondern auch fürs Schreiben.
Im folgenden Absatz werde ich beweisen, wie unglaublich gut ich schreiben kann.

Verfluchte Kacke! Das geht mir dermaßen auf den Sack, dieses verschissene Feuilleton-Gequatsche, denen möchte man ihre eigenen Texte ungespitzt in den Arsch rammen, fuck, fuck! Ich faß es nicht, was diese Vollspasten da den ganzen Tag in ihre verranzten Tastaturen kotzen!

Na, wie war ich? Ungedoubelt habe ich meinen ganzen Schmerz in einer schriftstellerischen Tour de Force zum Ausdruck gebracht, und zwar mit elementarer Wucht, mit verstörender Intensität, mit einer für mein jugendliches Alter beängstigenden Souveränität.

Hannah Herzsprung, die die besagte Rolle spielt, ist übrigens keineswegs schlecht. Das merkt man an den paar Stellen des Films, wo ihre Rolle mal über die fleischgewordene Bildzeitungs-Schlagzeile hinaus geht, den Borderline-krass-wie intensiv-Wahnsinn hinter sich läßt, wo einfach mal Ruhe ist.

Den Film ansonsten fand ich nicht so toll. Eigentlich sogar ziemlichen Quatsch, je mehr man darüber nachdenkt. Aber
Monica Bleibtreu spielt ihre Rolle ziemlich großartig. Insgesamt also doch noch besser als die sinnentleerte Kunstkinolangeweile, die sonst oft aus Deutschland kommt.

Fuck.

01 Februar 2007

Licht aus, Messer raus

Die Erde wird immer wärmer, weil wir Menschen so viel Öl und Kohle verbrennen. Heute abend ist große Aktion gegen den Klimawandel. Man soll um fünf vor acht alle Lichter abschalten, um die Welt darauf hinzuweisen, daß es eigentlich fünf vor zwölf ist. Die Mail dazu habe ich jetzt schon drei Mal gekriegt.

Und nun was ganz anderes. In Deutschland werden Studiengebühren eingeführt. Wer nicht zufällig mit einem wohlhabenden Elternhaus gesegnet wurde, wird in Zukunft kaum noch Lust haben, ein Studium anzufangen und am Ende vor einem Berg Schulden und höchst vagen Berufsperspektiven zu stehen. Einige ASten kämpfen auf verzweifeltem Posten immer noch dagegen an und haben alle Studierenden aufgefordert, das Geld einzubehalten bzw auf Treuhandkonten zu überweisen. Wenn ein Viertel der Studenten einfach nicht zahlt, so denkt man sich, dann muß ja wohl irgendwas passieren.

Leider passiert aber nichts, weil die Beteiligung an dieser Aktion bis jetzt nur sehr mäßig ist. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann wird auch die Beteiligung an der Licht-aus-Aktion heute abend nicht so groß sein, daß wirklich was hängenbleibt.

Das ist nämlich das komische und zugleich das traurige an so Massenbewegungen: Sie sind flüchtig, sie sind selten, sie sind meistens spontan und lassen sich kaum mit Absicht ins Leben rufen. Es braucht schon einen ganz erheblichen Leidensdruck, bis die Menschen massenweise alles stehen und liegen lassen und auf die Straße gehen oder auch nur für fünf Minuten das Licht abdrehen. Das passiert, wenn sich jahrzehntelang erheblicher Druck aufgebaut hat oder irgendwas wirklich Empörendes passiert ist, aber einfach so: Leider nein.

Studiengebühren und Klimawandel haben ja einiges gemeinsam. Sie kommen schleichend, sie werden verheerende Wirkungen haben, sie sind menschengemacht und erscheinen doch wie unvermeidbare Naturkatastrophen. Aber sie kommen halt so allmählich, daß wir wie der sprichwörtliche Frosch, dem man das Wasser allmählich unterm Hintern erhitzt, friedlich auf selbigem sitzen bleiben, anstatt aufzuspringen und Aua zu schreien.

Heute um 19:55h werde ich wohl unterwegs sein. Aber ich könnte dennoch ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen, indem ich fünf Minuten lang die Lichter an meinem Fahrrad abschalte. Vielleicht bewirke ich damit ein Umdenken.

 
Stoppt die Vorratsdatenspeicherung! Jetzt klicken &handeln! Willst du auch an der Aktion teilnehmen? Hier findest du alle relevanten Infos und Materialien: